sammlung

wir nähern uns joe ellis
sei­nen dra­ma­ti­schen erlebnissen
auf hoher see südöstlich
der inseln grönland

atlantische depeschen

Dra­ma­ti­sche Tage erleb­te der Rei­se­jour­na­list Joe Ellis, nach­dem er das Labor­schiff MS Sea­town per­sön­lich besuch­te. Das Schiff hava­rier­te am 28. Sep­tem­ber 2016. Ver­mut­lich war Joe Ellis der ein­zig Über­le­ben­de auf hoher See. Er konn­te sich auf eine See­not­ret­tungs­in­sel ret­ten, die sich gegen die Strö­mung nord­wärts auf dem Atlan­ti­schen Oze­an beweg­te. Meh­re­re Tage lang berich­tet Joe Ellis von sei­ner gefahr­vol­len Exis­tenz an Bord des klei­nen Luft­schif­fes, von Ent­beh­run­gen, von Furcht, von der Bedro­hung durch außer­ge­wöhn­li­che Wal­fisch­per­sön­lich­kei­ten, ins­be­son­de­re auch von  Begeg­nun­gen mit Men­schen, die das gewal­ti­ge Schiff vor des­sen Unter­gang bewohn­ten. Er selbst nann­te jene Doku­men­te sei­ner aben­teu­er­li­chen Rei­se Atlan­ti­sche Depe­schen. Sie wur­den unter sehr schwie­ri­gen Bedin­gun­gen auf­ge­zeich­net. Joe Ellis notiert am ers­ten Tag sei­ner Rei­se: 8.58 a.m. — Ich schrei­be 10 Sät­ze, dann spre­che ich 10 Sät­ze, die ich notiert habe, und schon ist der Strom mei­ner Schreib­ma­schi­ne zu schwach gewor­den, um wei­ter spre­chen oder schrei­ben zu kön­nen. Dann kur­be­le ich. Ich kur­be­le so lan­ge, bis ich wie­der aus­rei­chend Strom erzeugt habe, um mei­ne Nach­richt sen­den zu kön­nen. Ich kur­be­le 5 Minu­ten für 10 kur­ze Sät­ze in Zei­chen und Wor­ten. Ich kur­be­le 3 Minu­ten für das Sen­den der Nachricht. ~

 

/  Berüh­ren­de und aufwühlende
Berich­te des Rei­se­jour­na­lis­ten Joe
Ellis.
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50°53’N 17°54’ W

50°53’N 17°54’ W: Letz­te Posi­ti­ons­an­ga­be des Labor­schiff Sea­town  am 26. Sep­tem­ber 2016 um 7.15 post meri­diem. Kurz dar­auf herrsch­te Funk­stil­le. Doku­men­tiert wur­de von eige­ner Hand das Über­le­ben des Rei­se­jour­na­lis­ten Joe Ellis, wei­te­re Über­le­ben­de sind nicht bekannt. Joe Ellis fand sich nach Stun­den der Besin­nungs­lo­sig­keit auf einer See­not­ret­tungs­in­sel wie­der. Das Habi­tat war für 12 über­le­ben­de Per­so­nen kon­zi­piert. Neben der Insel trieb der Kör­per einer Frau, den Joe Ellis an der Insel bes­fes­tig­te in der Hoff­nung auf bal­di­ge Ret­tung. Nach ers­ter Inspek­ti­on sei­nes Habi­tats mel­de­te Joe Ellis: Ret­tungs­in­sel intakt. Luft­kam­mern ohne Ver­lust. Ich ver­fü­ge über 28 Beu­tel Trink­was­ser des Jah­res 1988, 16 Por­tio­nen Fer­tig­nah­rung, 3 Kilo­gramm Tro­cken­brot, 36 Tablet­ten gegen See­krank­heit, 1 schwimm­fä­hi­ges Mes­ser, 5 Signal­fa­ckeln in Rot, 2 Signal­fa­ckeln in Gelb, 1 Signal­flö­te, 1 Schöpf­ge­fäß, 17 Ret­tungs­wes­ten, 1 Wurf­ring mit Lei­ne, 1 was­ser­dich­te Taschen­lam­pe, 14 Bat­te­rien, 1 Feu­er­zeug, 1 Gas­feu­er­zeug, 5 Fett­stif­te, 1 Über­le­bens­hand­buch in fin­ni­scher Spra­che, 1 Funk­schreib­ma­schi­ne mit Hand­kur­bel. Ver­damm­te Geschich­te. Ver­damm­te Geschich­te, wie ich hier sit­ze und notie­re.

 

/  Joe Ellis berich­tet von
Bord sei­nes Habi­tats auf
dem Atlantik >

seatown : eine erste ansicht

Ein Schiff, turm­hoch aus dem Was­ser ragend, von idea­ler Gestalt, um  schwe­ren Stür­men auf hoher See zu trot­zen. Man erzählt, das Schiff, das voll­kom­men Weiß gewe­sen sein soll, habe über Kern­re­ak­to­ren ver­fügt, sowie über eine Luft­druck­kam­mer, die größ­te ihrer Art. Über 1 Hun­dert Mann Besat­zung, For­scher und For­sche­rin­nen, Tech­ni­ker, sowie tau­sen­de leben­der Tie­re bewohn­ten das Schiff. Joe Ellis berich­tet am 25. Sep­tem­ber 2016 von sei­ner ers­ten Wahr­neh­mung: Noch ehe wir die Schat­ten der Sea­town in der Däm­me­rung zu erken­nen ver­moch­ten, erreich­te uns ein Funk­spruch. < Esta, Esta, hier spricht die Sea­town, hier spricht die Sea­town. Löschen Sie ihre Lich­ter. Kom­men Sie lang­sam näher. Wir wie­der­ho­len. Ach­tung, Ach­tung, hier spricht die Sea­town, hier spricht die Sea­town, löschen Sie ihre Beleuch­tung. Kom­men Sie lang­sam näher. > Also lösch­ten wir unse­re Lich­ter und näher­ten uns. Wir näher­ten uns lang­sam, fast geräusch­los. Ein kaum hör­ba­res Pum­pen vom Was­ser her, nichts sonst. Dann lag die Sea­town direkt vor uns. Haus­hoch rag­te sie aus dem Was­ser, ein gewal­ti­ges Schiff. Kei­ne ihrer Posi­ti­ons­lam­pen leuch­te­te, kein Kabi­nen­licht, auch die Brü­cke ruh­te im Dun­keln. Über dem Vor­deck des Schif­fes war eine Qua­ran­tä­ne­flag­ge auf­ge­zo­gen. Sie wur­de, als ich sie ent­deck­te, gera­de von einem Matro­sen ein­ge­holt. Ich hat­te den Ein­druck, als wir längs­seits gin­gen, dass die Sea­town sich lang­sam um ihre eige­ne Ach­se drehte. ~

 

/  Stun­den auf der
Sea­town. Joe Ellis
berichtet. >